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Die Chemie der Dinge


Nach eingehendem Studium verschiedenster Dokumentationen, Lexika, Fachliteratur und der Annahme, es gibt keine höere Macht, die uns leitet, bin ich zu folgender Erkenntnis gekommen: Es lässt sich alles auf eine Formel bringen. Nichts gescheiht aus Zufall, seltsame energetische Ladungen oder Energien tragen uns hin, wo wir eben landen, unsichtbare Schalter treffen Entscheidungen, die nur aufgrund sich ausgleichender physikalischer Phänomene getroffen werden, und alles ist im Fluss. Selbst die Liebe lässt sich reduzieren auf einen biochemischen Prozess, gelenkt von Pheromonen werden wir blind, und nennen das dann Gefühl. Allerdings finde ich das nicht trostlos, ich kann das ja alles trotzdem genießen.

Mit meiner gewonnen Erkentniss begebe ich mich ins Huxleys, hier steigt eine Erotikmesse. Nicht, dass ich mich für gekaufte genüsse interessiere. Es ist mal wieder dieses kleine Wesen, das dort am stand steht. Das irgendeinen Schalter gelegt hat, oder mich anzieht wie der Gegenpol. Die kleine, fotografierende Nicki, die dort steht, in einer riesigen Barocken Halle, vollgestopft mir allerlei Krams aus allem möglichen Gefilden der Sexualität. Was für eine seltsame, explosive Mischung.

Ich frage mich, ob ich ganz normal bin, ich kann mit diesem überladenen, kaufbaren und exzessiv gefeierten Sex nicht viel anfangen. Da fehlt mir dann doch das Gefühl. Da stimmt dann sozusagen die Chemie bei mir nicht. Ich muss nicht auf riesigen Leinwänden Vaginas anstarren, während sich die Ecken meines Taschentuches ineinander verkleben, und mir Schweiss von der hochroten Stirn rinnt.

Die Zeit vergeht langsam, das finde ich ganz schön, auch wenn nicht viel zu sehen ist, ich führe schöne Gespräche, sehe tolle Augen, und zwischendurch leichtbekleidete Damen, die alle aussehen, als wäre Ihr Gesicht nach hinten gezogen und an den Hals getackert. Ich gehe mit dem wahrscheinlich schmierigsten Typen, den ich jeh gesehen habe, Essen holen. Für Nicki, Leila und mich. Irgendwie tut der Typ mir leid, man merkt, das keiner Ihn mag, und er merkt es nicht. Er schwitzt wie ein Tier, in seinem Auto Feuchttücher, mit denen er sich über die Hände fahren muss. Er tut mir leid, „in dieser Erde aus Granit“, irgendwie verloren.

Nicki sagt ja, ich soll schreiben, warum ich dann doch bis punkt 0:30 da war. Das allerdings beantwortet sich selber, und nachdem ich aufgebrochen war, kam der Andere.

Jetzt keimt bestimmt in euch die Frage: Wer ist der Andere? Ich spreche immer von dem anderen und mir, nennen wir ihn der Einfachheit halber Herr V. Nachdem wir einen der berühmten Berliner Spätis abegeklappert haben, beladen mit 10 Flaschen Bier unterschiedlichster Coleur, treten wir in meine bescheidene Kreuzberger Maisonetwohunung (ich bin mir ziemlich unsicher, ob man das so schreibt.). Es ist, wie immer, sehr lustig, wir reden über den letzten Lars von Trier – Film „Antichrist“, über Distanz zum Werk und persönlichen Leiden, die Obejektivität vermissen lässt, also so typisch pseudointellektuelles Gequatsche. Irgendwann allerdings beginnt mir die linke Brustseite wie Wahnsinnig zu schmerzen, mein Herz zerreisst, so fühlt es sich an. Ich überlege, ob sich da irgend etwas psychisches im phyisischen manifestiert, oder ob ich einfach einen Herzinfarkt erleide. Darüber tausche ich mich via Twitter auch am nächsten Tag mit der Steff aus, die meint, ich könne nach einem Herzinfarkt wohl nicht mehr schreiben, und da ich dazu noch in der Lage bin, beruhige ich mich etwas. Was mich dazu bringt, jetzt ganz locker das Thema zu wechseln.

Tocotronic hat mal gesungen, das „im Blick zurück“… die Dinge entstehen, und „im Blick nach vorn entsteht das Glück“. Während ich morgens am Bahnhof stehe, muss ich an diesen Text denken. Ich habe ein ziemlich interessantes Telefonat geführt, oder besser gesagt, ich habe eine geschlagene Stunde zugehört, und denke mir, jemand hat doch ein paar Leichen im Keller. Das kleine Wesen nämlich, dass sich vor ungefähr einem halben Jahr von Fürth trennte, um hier aufzuschlagen, in diesen Strudel, dieser bösen Falle, die sich Hauptstadt schimpft, und die uns alle aufsaugt, als seien wir Tropfen auf den heißen Stein. Aprubtes Gehen kenne ich, und ich kenne das Gefühl, das einen einholt, wenn man zurück blickt, oder gar zurück geht. Und auch wenn er viel Schnulze von sich gegeben hat, ich finde, in den folgenden Sätzen von Reinhard May steckt doch Wahrheit: „So törricht, wie die Zeiger der Uhren / anzuhalten und zurück zu dreh´n, / so törricht ist es auch, auf den Spuren / Lang vergang`ner Tage zu geh`n.“. Auch so eine Lektion, die ich schmerzlich lernen musste. Während also die Vergangenheit sinnbildend für unser Jetzt ist, erwarten wir das morgen, das sich aus eben jenem bilden wird, erwarten den Ausgleich der Formel, hoffen auf das Glück, die Bündelung der Energie zu einer Einheit. Und wir merken immer dann, dass wir glücklich waren, wenn wir es nicht mehr sind. Vielleicht gehört das auch zur Chemie der Dinge, vielleicht muss es so sein.

Der schöne Sonntag, der uns heute geschenkt wurde, mit diesem so wunderbaren Sonnenaufgang (http://twitpic.com/19y2zr), muss genutzt werden. Lizzy, eine Kollegin sozusagen, aus vergangenen Tagen, mit der Ich in einer Schauspielgruppe war, möchte wiedergesehen werden, wir schlendern vom Ubahnhof Eberswalder Strasse zum Kauf-Dich-Glücklich, Waffel essen, mit Eis und heißen Kirschen. Neben uns, die wir draussen sitzen, zwei Jungs, die auf Ihren Vater warten. Auf dem Tisch eine Vase, ein paar Veilchen darin. In dem Moment, als die Vase fällt, weil die Jungs ja immer am Tisch wackeln müssen, merke ich Ihn wieder, diesen Riss, von dem ich dachte, er ist weg, ich spüre mein Herz, der Regen setzt langsam ein. Jeder Tropfen füllt eine Sekunde, es tickt, unaufhörlich, es geht immer weiter, meine Bahn kommt, wir verabschieden uns, ich muss weiter, umsteigen, einsteigen, absteigen, aufschließen. Ich drehe mich um. Und ich sehe nichts, als meine Tür.

Im Traum hat mir Nicki ein paar Schuhe genäht, und ich merke heute, das meine Füße wirklich kalt sind, nicht metaphorisch, und ich Frage mich, wie unausgeglichen die Physik sein kann, oder eben die Chemie. „Wie soll ich Leben auf dem festen Land? Nur links und rechts und vorwärts und zurück. Der Druck der Tiefe und der Sprung über den Rand, sind Plus- und Minuspol vom Glück“, singt Herr Gundermann in mein Ohr. Ein fliegender Fisch im tiefen Meer, sagt er noch, „hier ist kein schwarz, kein weiss, nur blau“, und ich schlafe ein.

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Das Sein und das Schöne


Heute fand ich mich an einem Ort wieder, der jenseits sprechender Nashörner, gefangener Einhörner und sonstiger Auswüchse phantastischer Parallelwelten liegt. Nennen wir ihn der Einfachheit halber Realität. Ich verwende in letzter Zeit häufig diesen einen Namen, Nicki nämlich. Dass wir uns häufig treffen, fast täglich schreiben und ich sie für wunderbar halte, mag diesen Umstand begründen. Nun gut, es ist 23:00, ich bin zu Hause, nachdem ich obiger Schönheit beim Messebau geholfen habe, nachher gehen wir und ihre Kollegin ins Sage. Ich schreibe das im Futur, als wäre es im werden begriffen, aber er ist schön geschehen, es ist vorbei, ich bin schon wieder zu Hause. Mir fielen heute, an diesem ersten Frühlingstag, jedenfalls meterologisch, viele Dinge auf. Berlin, dieses Ungetüm, spuckt dir ja einen Haufen Menschen vor die Füße. Die sich darstellen, die etwas sein wollen. Die die Welt als ihre Bühne begreifen. Nicki ist einfach. Das finde ich großartig, genauso großartig, wie das Wort großartig. Wieder und wieder spiegelt sich ihr seltsam ehrliches lachen in meinen Augen, auch wenn es zwischendurch getrübt wurde. Irgendeine Beziehungskiste ihrer Kollegin (die sich übrigens Leila nennt), drohte, den Abend wie Perlen vor die Säue zu werfen. Wir haben es geschafft, uns nicht verunsichern zu lassen. Ich würde mir auch etwas seltsam vorkommen, würde mir irgendein Kerl den Abend versauen, auch wenn ich Leila bedaure. Ich verstehe das eh nicht: Die schönen, selbstbewussten Frauen, die am Ende bei irgendwelchen seltsamen Herren landen. Gefesselt, als gäbe es kein Jenseits der diesseitigen Norm. Ich mag die Bewegungen von Nicki, ihr getanze, bin aufgeregt, als sie meine Hand nimmt. Ich kann nicht wirklich sagen, was zur Zeit in mir vorgeht. Ich habe das Gefühl, mich zu beobachten, einfach die Dinge geschehen zu lassen.

Nach so langer Zeit, in der ich nur Wut und Trauer in mir fand, bin ich glücklich, kann ich lachen. Ich bin nach Hause gehüpft, vom Moritzplatz aus, fast getänzelt, keine Ahnung, warum genau, und finde es auch völlig unwichtig. Und obwohl sich meine These bestätigt fühlt, geht es mir gut. Der Frage, welche These ich denn meine, will ich keiner Antwort schuldig bleiben. In unseren modernen Zeiten verfügen wir über eine vielzahl von Kommunikationsmitteln, unser (und hier spreche ich von mir und Nicki) Mittel zum Zweck nennt sich ICQ. Und ich sagte ihr, gestern Nachmittag, also lange bevor wir ins Sage gingen, dass ich sie nach Hause bringen werde. Das sie die Treppe hoch gehen wird. Ich gehe die Treppe hinunter, zur Ubahn. Auf sie wartet ihr Freund, ich muss auf die Ubahn warten. So seltsam sind sie manchmal, die Launen des Lebens. Nur was davor geschah stand so nicht in meinem Erwartungshoriziont, irgendwer sagte ja auch, hohe Erwartungen garantieren tiefe Enttäuschungen. Wir sitzen vor Ihrer Haustür, ihr Schlüssel streichelt mein Knie, während ich ihres berühre, sie berührt mein Herz. Sie sagt mir, es sei zwar oberflächlich, aber ich bin so dünn: Das ist Toll. Mein Selbstbewusstsein mag ein kaputtes Kniegelenk sein, in diesem Moment war es im Begriff, zu springen. Das sie schön ist, sage ich ihr schon so oft, sie weiss nicht, was an ihr so toll ist. Auf dem Heimweg schreibe ich ihr: Weil du einfach du bist. Das sollten wir wohl alle. Einfach wir selbst sein. So denke ich, und jeder soll doch bitte die Freiheit haben, das anders oder genau so zu sehen.

Wir sind am Dienstag verabredet, ich werde sie ins „süß war gestern“ schleppen, morgen sehe ich sie wieder, und am Samstag war süß dann gestern. Oder in Nürnberg, da kommt sie nämlich her. Während ich mir meine kurzen Haare noch im Spiegel anschaue, entdecke ich eine Träne, die mir die Wange hinunter rinnt. Sie ist salzig. Aber ich weiss nicht, welchem Gefühl sie entspringt. Musik ist mein Leben, und mein nächstes Stück trägt deinen Namen. Obwohl du nicht mein Leben bist. Das ist wohl das erste mal, dass ich dich direkt anspreche, aber auch das muss sein. Du liebst Briefe, vielleicht ist das einer. Jeder kann ihn lesen. Aber halten kannst nur du ihn.

Kleine Paula, wir sehen uns. Zwischen Nachtaktiven Fröschen, wie wir es heute waren, und der nächsten Woche. Du hast mich. Mach, was immer du willst. Gute Nacht.

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