Es ist nämlich so, dass auch in Österreich die Unschuldsvermutung ein Rechtsgrundsatz ist. Aber manchmal verlesen sich auch die fleißigsten, investigativsten Journalisten. So muss es auch dem Kurier gegangen sein, als er diesen Artikel veröffentlichte. Ich stelle mir das so vor: Im Kreise der Redakteure ging gerade eine Flasche Berliner Luft um (für nicht trinkfeste Freunde: Das ist ein Pfefferminzlikör, der neben einem feinen Rausch auch feine Kopfschmerzen macht. Aua.) Nach Genuss selbiger hat der Kurier einen voll schönen, total fairen und gar nicht einseitig recherchierten Artikel verfasst und auch veröffentlicht. Die Bedenken eines der anwesenden Redakteure „Wir können doch wegen des Unschuldsvermutungsparagraphen keine Klarnamen benutzen!“ wurde vom Chefredakteur weggewischt: „Das heißt Unschulzvermutung, und Frau S. heißt nicht Schulz. Gilt also nicht!“
Soweit so fein. Jetzt gibt es neben mir auch noch andere Leute, die lesen können. Eine davon twittert unter dem Namen @mahriah und nervte nicht nur den Kurier und mich mit dem Hinweis, eine Klarnamenverwendung wäre doch in diesem Fall nicht rechtens. Der Kurier seinerseits verwies auf polizeiliche Ermittlungen, in denen eben Frau S. (S. steht übrigens für Simpson; Wir alle wissen um das politische Wirken von Lisa Simpson, die verkappte Feministin und Anarchoattentäterin!) als Verdächtige geführt wird.
Für die Ungebildeten wie mich: Wenn gegen Sie ermittelt wird, und Sie nicht Schulz heißen, kann man ihren Klarnamen verwenden – jedenfalls sagt das der Kurier. Cool. Ich hoffe, das geht auch bald, wenn die Polizei nicht ermittelt. Was heißt das jetzt aber? Gibt die Polizei für geführte Ermittlungen Klarnamen an die Presse weiter? Das wäre ja witzig. Oder hat der Kurier etwa selber ermittelt und einfach Namen genannt? Noch cooler! Hoch lebe die Demokratie.
Eines Tages war der Chefredakteur dann nicht nur wieder nüchtern, sondern muss auch die Einwände oben genannter Twitterin spitz bekommen haben. „Leute,“, so rief er aus, „Ich habe mich geirrt. Das Ding heißt Unschulzvermutung, weil man Klarnamen nur dann nennen darf, wenn die Leute Schulz heißen!“ – und änderte den Artikel kommentarlos. Denn sich Fehler eingestehen ist in einer Demokratie ja völlig bescheuert.
Warum schreibt der Bohm das jetzt? Die Krone (nicht der Kurier!) hat ja mit Michael Jeannée schon einen sehr kritischen, auch dem linken Spektrum nicht abgeneigten Kommentator. Ich will das auch. Aber für den Kurier. Ich will die leise Stimme der Vernunft sein. Aber ach, die haben gerade keine Stelle vakant (https://twitter.com/KURIERat/status/431525533881737217). So schade L.
Aber ein Gutes hat die Sache: Ich heiße nicht Schulz.