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Das Sein und das Schöne


Heute fand ich mich an einem Ort wieder, der jenseits sprechender Nashörner, gefangener Einhörner und sonstiger Auswüchse phantastischer Parallelwelten liegt. Nennen wir ihn der Einfachheit halber Realität. Ich verwende in letzter Zeit häufig diesen einen Namen, Nicki nämlich. Dass wir uns häufig treffen, fast täglich schreiben und ich sie für wunderbar halte, mag diesen Umstand begründen. Nun gut, es ist 23:00, ich bin zu Hause, nachdem ich obiger Schönheit beim Messebau geholfen habe, nachher gehen wir und ihre Kollegin ins Sage. Ich schreibe das im Futur, als wäre es im werden begriffen, aber er ist schön geschehen, es ist vorbei, ich bin schon wieder zu Hause. Mir fielen heute, an diesem ersten Frühlingstag, jedenfalls meterologisch, viele Dinge auf. Berlin, dieses Ungetüm, spuckt dir ja einen Haufen Menschen vor die Füße. Die sich darstellen, die etwas sein wollen. Die die Welt als ihre Bühne begreifen. Nicki ist einfach. Das finde ich großartig, genauso großartig, wie das Wort großartig. Wieder und wieder spiegelt sich ihr seltsam ehrliches lachen in meinen Augen, auch wenn es zwischendurch getrübt wurde. Irgendeine Beziehungskiste ihrer Kollegin (die sich übrigens Leila nennt), drohte, den Abend wie Perlen vor die Säue zu werfen. Wir haben es geschafft, uns nicht verunsichern zu lassen. Ich würde mir auch etwas seltsam vorkommen, würde mir irgendein Kerl den Abend versauen, auch wenn ich Leila bedaure. Ich verstehe das eh nicht: Die schönen, selbstbewussten Frauen, die am Ende bei irgendwelchen seltsamen Herren landen. Gefesselt, als gäbe es kein Jenseits der diesseitigen Norm. Ich mag die Bewegungen von Nicki, ihr getanze, bin aufgeregt, als sie meine Hand nimmt. Ich kann nicht wirklich sagen, was zur Zeit in mir vorgeht. Ich habe das Gefühl, mich zu beobachten, einfach die Dinge geschehen zu lassen.

Nach so langer Zeit, in der ich nur Wut und Trauer in mir fand, bin ich glücklich, kann ich lachen. Ich bin nach Hause gehüpft, vom Moritzplatz aus, fast getänzelt, keine Ahnung, warum genau, und finde es auch völlig unwichtig. Und obwohl sich meine These bestätigt fühlt, geht es mir gut. Der Frage, welche These ich denn meine, will ich keiner Antwort schuldig bleiben. In unseren modernen Zeiten verfügen wir über eine vielzahl von Kommunikationsmitteln, unser (und hier spreche ich von mir und Nicki) Mittel zum Zweck nennt sich ICQ. Und ich sagte ihr, gestern Nachmittag, also lange bevor wir ins Sage gingen, dass ich sie nach Hause bringen werde. Das sie die Treppe hoch gehen wird. Ich gehe die Treppe hinunter, zur Ubahn. Auf sie wartet ihr Freund, ich muss auf die Ubahn warten. So seltsam sind sie manchmal, die Launen des Lebens. Nur was davor geschah stand so nicht in meinem Erwartungshoriziont, irgendwer sagte ja auch, hohe Erwartungen garantieren tiefe Enttäuschungen. Wir sitzen vor Ihrer Haustür, ihr Schlüssel streichelt mein Knie, während ich ihres berühre, sie berührt mein Herz. Sie sagt mir, es sei zwar oberflächlich, aber ich bin so dünn: Das ist Toll. Mein Selbstbewusstsein mag ein kaputtes Kniegelenk sein, in diesem Moment war es im Begriff, zu springen. Das sie schön ist, sage ich ihr schon so oft, sie weiss nicht, was an ihr so toll ist. Auf dem Heimweg schreibe ich ihr: Weil du einfach du bist. Das sollten wir wohl alle. Einfach wir selbst sein. So denke ich, und jeder soll doch bitte die Freiheit haben, das anders oder genau so zu sehen.

Wir sind am Dienstag verabredet, ich werde sie ins „süß war gestern“ schleppen, morgen sehe ich sie wieder, und am Samstag war süß dann gestern. Oder in Nürnberg, da kommt sie nämlich her. Während ich mir meine kurzen Haare noch im Spiegel anschaue, entdecke ich eine Träne, die mir die Wange hinunter rinnt. Sie ist salzig. Aber ich weiss nicht, welchem Gefühl sie entspringt. Musik ist mein Leben, und mein nächstes Stück trägt deinen Namen. Obwohl du nicht mein Leben bist. Das ist wohl das erste mal, dass ich dich direkt anspreche, aber auch das muss sein. Du liebst Briefe, vielleicht ist das einer. Jeder kann ihn lesen. Aber halten kannst nur du ihn.

Kleine Paula, wir sehen uns. Zwischen Nachtaktiven Fröschen, wie wir es heute waren, und der nächsten Woche. Du hast mich. Mach, was immer du willst. Gute Nacht.

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